Testamentsgestaltung zur Umgehung des Pflichtteils

Der vergiftete Pflichtteilsanspruch durch taktische letztwillige Verfügungen - zum Beschluß des OLG Hamm vom 11.01.2005 - 15 W 391/03


Nicht selten stehen Erblasser vor dem Problem, wie der Nachlass vor der Geltendmachung von Pflichtteilsansprüchen geschützt werden kann. Denn der Gesetzgeber sieht den Ausschluß des Pflichtteils durch letztwillige Verfügungen nur in seltenen Ausnahmefällen vor.

Nach der Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamm wurde der faktische Ausschluß einer Geltendmachung von Pflichtteilsansprüchen durch taktisch geschickte Gestaltung des Testaments für zulässig beurteilt. Der Senat hat die Sittenwidrigkeit einer solchen testamentarischen Verfügung verneint.

In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall hatten die verstorbenen kinderlosen Eheleute ein gemeinsames Unternehmen aufgebaut. Um dieses zu erhalten und die erbrechtliche Nachfolge zu regeln, haben die Erblasser ihren Neffen adoptiert und diesem vorab schenkungsweise Anteile an der Gesellschaft übertragen. Später kam es dann zwischen den Erblassern und ihrem Adoptivsohn zu tiefgreifenden Zerwürfnissen, in deren Folge der Adoptivsohn auch im Hinblick auf sein Pflichteilsrecht von jeglicher Erbfolge ausgeschlossen werden sollte. Zu diesem Zwecke haben die Erblasser ein gemeinschaftliches Testament folgenden Inhaltes errichtet:  sie setzten den Sohn des Adoptierten als Vorerben und einen eingetragenen Verein als Nacherben ein. Den Nacherbfall bestimmten sie so, dass das gesamte Erbe an den Verein fällt, wenn der Adoptivsohn Pflichtteilsansprüche geltend macht oder diesem aufgrund anderer Umstände Vermögenswerte aus dem Nachlass zufließen. Faktisch führte diese Testamentsgestaltung dazu, dass der Adoptivsohn weder Pflichtteilsansprüche geltend machen noch auf anderem Wege an dem Nachlass teilhaben konnte, ohne dem eigenen Sohn das Vorerbe zu entziehen. In der Regel dürfte diese Gestaltung bewirken, dass der Pflichtteil nicht geltend gemacht wird, will der Pflichtteilsberechtigte dem nahestehenden Vorerben nicht das Erbe entziehen.

Im zugrunde liegenden Fall verlangte der Adoptivsohn gleichwohl seinen Pflichtteil. Der Nacherbfall trat ein, der Sohn verlor das Vorerbe. Dieser wandte daraufhin gerichtlich ein, das Testament sei bezogen auf die Bestimmungen des Nacherbfalles sittenwidrig, denn die Regelung versetze den Adoptivsohn in einen unüberbrückbaren Gewissenskonflikt zwischen der Geltendmachung von Pflichtteilsansprüchen und dem Erhalt des Erbes für seinen eigenen Sohn.

Der Senat ist dieser Argumentation nicht gefolgt. Die gewählte Testamentsgestaltung beeinträchtigt die geschützten Rechtspositionen der Beteiligten nicht, denn die Erblasser hätten den als Nacherben begünstigten Verein auch unmittelbar als Erben einsetzen können. Den Vorerben brauchten sie somit nicht zu bedenken. Deshalb gehe mit der Einsetzung des Vorerben kein Entscheidungskonflikt einher, der zu einer Sittenwidrigkeit führe.

Das Beispiel zeigt, wie sich durch gestalterische Möglichkeiten taktische Anreize zum Verzicht auf den Pflichtteil setzen lassen.





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